In der gerade eben in Kraft getretenen “Verordnung über die Pflichtablieferung von Medienwerken an die Deutsche Nationalbibliothek” (kurz: PflAV) werden explizit auch digitale Werke aufgeführt. Abzuliefern ist demnach fast alles, was nicht geschützt ist oder nicht bereits in anderer Form abgeliefert wurde. So wie ich den Text lese, sind das auch Blogs, Twitternachrichten, Friendfeed-Streams, Xing-Diskussionsforen: “Die DNB strebt nach eigenen Angaben an, die Archivierung auch auf ‘originär dem Web’ entsprungene Publikationsformen wie Blogs, Wikis oder Foren nach und nach auszudehnen.” heißt es dazu auf Heise Online. Und wer das nicht tut, riskiert eine Abmahnung sowie eine Geldstrafe bis zu 10.000 Euro.
Ich war eigentlich der Überzeugung, die Regulierungsideen der Bayerischen Landesanstalt für Neue Medien wären absurd, aber das hier stellt den BLM-Murks problemlos in den Schatten. Nicht nur fehlt an ganz zentraler Stelle die Definition von “privaten Zwecken”, sondern auch die technischen Grundlagen der Ablieferung sind völlig unklar. Mal sehen, was passiert, wenn alle Blogger, Forenmitglieder, Newsletteradministratoren, Wikipedianer und Twitterer alle produzierten Bits und Bytes der DNB schicken. Immer mehr und immer mehr. Am besten noch fein säuberlich auf Papier ausgedruckt.
Die Frage, die sich mir stellt: Ist ein zentralistisches Modell der Kulturbewahrung, wie es die Deutsche Bibliothek seit 1913 repräsentiert, überhaupt noch zeitgemäß? Kultur kein einheitlicher, von Beamten geführter riesiger Zettelkasten, sondern ein lebendiges, schillerndes Netzwerk aus ganz unterschiedlichen Akteuren, Praktiken und Objekten. Wer will darüber urteilen, wo hier die Grenzen zwischen Kultur und privater Kommunikation liegt? Die Zeit zentraler Wissensspeicher, und genau das ist die Rolle einer Nationalbibliothek, ist vorbei.
Zeitgemäß fände ich eine automatische Archivierung der Internet nach dem Vorbild der Wayback-Machine. Dann wäre endlich das Problem toter Links und nicht mehr auffindbarer Online-Publikationen gelöst.
Hi,
lest Euch doch mal die (zugegebenermassen gut versteckte) Definition der DNB durch, was ihrer Meinung nach eine “transferfähige” Netzpublikation ist. Denn nur diese ist “abgabepflichtig”:
Transferfähige Netzpublikation
Dort steht:
Damit dürfte sich doch eigentlich das Thema für Websiten, Blogs, Twitter whatever erledigt haben.
gruss
Tom
@Webrocker Aber die DNB sagt an anderer Stelle explizit, dass Web-Journals erfasst werden sollen. Zudem: dass nur transferfähige Publikationen abgabepflichtig sind, steht nicht in der Verordnung, oder? In der Verordnung sind z.B. “Email-Newsletter ohne Webarchiv” ausgeschlossen. Dem entnehme ich, dass Email-Newsletter mit Webarchiv ablieferungspflichtig sind.
@Benedikt Jo, das ist alles sehr widersprüchlich da… ausserdem steht überall und dauernd “momentan nicht”, “derzeit noch…” usw usf… die scheinen selbst nicht so genau zu wissen, was sie da eigentlich wollen. :-/
@Webrocker Das Problem ist: rechtsgültig – und damit auch relevant für evtl. Abmahnungen – ist allein die Verordnung. Was die DNB auf ihre Homepage schreibt, ist vermutlich eher irrelevant. Deshalb halte ich es für notwendig, der DNB mit Anfragen dabei zu helfen, herauszufinden, “was sie da eigentlich wollen”.
Was mich interessieren würde: In welcher Form sollen die Daten übergeben werden? Ausgedruckt? Das wäre Wahnsinn …
Die haben da echt keine Ahnung und ich finde es dermaßen schwansinnig, dass das archiviert werden soll. Wahrscheinlich soll mann dann die Internetpage ausdrucken und einfach mal per Post dahin schicken. Die arme Person, die die Post öffnet und bearbeitet ….